Nach 20 Jahren im Einsatz wurde 2023 der Schweizer Führerausweis in seiner neuen Version eingeführt. Das ist neben dem Reisepass 2022 ein weiteres schweizerisches Dokument, welches innert kurzer Zeit erneuert wurde. Was bedeuten diese Projekte für Orell Füssli?
Sowohl Führerausweis als auch Schweizer Pass sind Leuchtturmprojekte und überaus komplexe Aufträge, was den Sicherheitsdruck und das Projektmanagement betrifft. Den Schweizer Pass druckt Orell Füssli seit 2003 enthält der Pass einen Chip mit biometrischen Daten. Beide Dokumente erfüllen höchste Sicherheits- und Qualitätsstandards und sind mit modernsten Sicherheitsmerkmalen ausgestattet.
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Physische Sicherheitsmerkmale sind die Last Line of Defense.
» Bernhard DeufelOrell Füssli wurde von der Generalunternehmerin Thales mit dem Design und der drucktechnischen Umsetzung von Umschlag, Vorsatz und Innenseiten des neuen Schweizer Passes betraut. Wie gestaltete sich der Designprozess?
Der Schweizer Pass stellt für Designer eine grosse Herausforderung dar, da er optisch wie sicherheitstechnisch zu den weltweit besten Sicherheitsdokumenten zählt. Der neue Pass ist vollgepackt mit gedruckten Sicherheitselementen. So finden sich an vielen Stellen Mikrotexte, auf jeder Innenseite sind komplexe Durchsichtsregister integriert, die bei Betrachtung im Durchlicht die Schweizer Flagge und das Länderkürzel der Schweiz sichtbar machen. Der Vorsatz enthält neben Siebdruckelementen, die mit magnetischer optisch variabler Farbe (OVMI) gedruckt wurden, auch einen vierfarbigen Kupferdruck mit Kippeffekten. Im gesamten Pass finden sich zudem komplexe Sujets, mit Farben, die nur unter der UV-Lampe sichtbar werden.
Um das funktionale, sprich das künstlerische Design möglichst gut in eine druckbare Form zu bringen, wurden vier Andrucke gemacht. So nennen sich die Testauflagen für die jeweils die Druckmaschinen wie für einen Auflagendruck eingerichtet werden müssen.
Es gab Dutzende von Präsentationen, an denen neben der Auftraggeberin für den neuen Pass, dem Bundesamt für Polizei fedpol, der Generalunternehmerin auch die Kantone und zahlreiche Bundesstellen miteinbezogen wurden.
Welche Bedeutung haben physische Sicherheitselemente noch im digitalen Zeitalter?
Digitale Lesegeräte sind weniger verbreitet als gemeinhin angenommen. Bei Kontrollen an Bahnhöfen oder auf der Strasse stehen sie meist nicht zur Verfügung. Ausserdem können Profis den RFID-Chip im Pass zerstören. Clevere physische Sicherheitsmerkmale sind die «Last Line of Defense» und in der Praxis gut überprüfbar. Für die Papierseiten und das Cover hat Orell Füssli diese zusammen mit den Forensikern des Fedpol und des Forensischen Institut Zürich definiert und umgesetzt.
Welche Folgen hat die aufwändige Gestaltung für die Produktion?
Der Schweizer Pass durchläuft zwei Druckdurchgänge auf der Offset-Druckmaschine, bei denen über 40 Farben zum Einsatz kommen. Alle Kantonswappen werden beispielsweise so gedruckt, dass sie in Echtfarben erscheinen. Die Farbgebung entsteht im Sicherheitsdruck nicht durch das Drucken einzelner Rasterpunkte, sondern durch das intelligente Zusammenspiel verschiedener Rasterzellen, weshalb beispielsweise auch feinste Muster, unter der Lupe betrachtet, als durchgezogene Linien oder Vollflächen erscheinen.
Wie viele Pässe stellt Orell Füssli her pro Jahr?
Aufgrund der Gültigkeitsdauer und anderer Faktoren bewegt sich die Druckauflage im Rhythmus von zehn Jahren wellenartig zwischen rund 400’000 und 800’000 pro Jahr. Insgesamt gibt es heute sieben Varianten des Passes, darunter sind Diplomatenpässe oder auch der Notpass, ein provisorisches Dokument, das auch Schweizer Vertretungen im Ausland ausstellen können.
Lassen Sie uns auch über die neuen Führerausweise sprechen. Welche Rolle hatte Orell Füssli dort?
Den neuen Führerausweis aus Polycarbonat hatten unsere Designer im Haus gestaltet. Für sie war es eine interessante Abwechslung im Vergleich zu ihrer Arbeit mit Banknoten. Neben der Entwicklung des Kartenkörpers und des Designs der Ausweise erarbeitete Orell Füssli das Sicherheitskonzept für die Produktion und leitete das Projekt, inklusive Qualitätskontrollen und Überwachung des Betriebs bei den Partnerfirmen.
Orell Füssli liefert für die Vereinigung der Schweizer Strassenverkehrsämter (asa) jährlich etwa 600’000 neue Ausweise im Kreditkartenformat. Sie werden für Neulenker, bei Änderungen von persönlichen Daten der Inhaber sowie bei Wechseln der Fahrzeugkategorien ausgestellt. Nächstes Jahr werden die alten Ausweise auf blauem Papier komplett aus dem Verkehr gezogen, dann werden es einige 100’000 Exemplare mehr sein.
Im Moment arbeiten wir daran, dass das Foto im Führerausweis digital über das Handy erneuert werden kann. In einigen Kantonen ist das bereits möglich. Wir hoffen, dass wir diese Lösung zusammen mit der asa schweizweit ausrollen dürfen.
Geht Ihnen und Ihrem Team die Arbeit aus, wenn die Projekte Pass und Führerausweis zum Regelbetrieb übergehen?
Keineswegs. Erstens bleibt mit der Sicherstellung der Versorgung mit den Schweizer Dokumenten viel Arbeit. Und zweitens sind wir daran, auf der Basis der beiden Leuchtturmprojekte die Geschäfte mit Pässen, Führerausweisen und Visa- Ausgabesystemen international auszudehnen, etwa in Afrika, wo Orell Füssli bereits gut etabliert ist. Diese und weitere zusätzliche Standbeine werden im Rahmen der Wachstumsstrategie 2028 ein bis drei Jahren aufgebaut.
Welche Zukunft sehen Sie für physische Ausweise?
Wir erwarten, dass das physische Dokument, sei es ein Reisepass, eine ID-Karte, ein Visum oder ein Führerschein, noch für sehr viele Jahre physisch gebraucht und von den Bürgern nachgefragt wird, nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit. Mit der langjährigen Erfahrung, unseren Kontakten sowie dem Know-how von Procivis sind wir bestens aufgestellt, um in Zukunft mit den digitalen Twins, also den «digitalen Zwillingen» dieser Sicherheitsdokumente, neue Märkte zu erschliessen, gerade im Bereich Visumvignetten und Führerausweise.